Die Zypresse

Dieser wunderschöne Baum ist das Wahrzeichen der Toskana. Er wird oft entlang von Alleen gepflanzt oder auch auf Friedhöfen, denn er ist das Symbol für Unsterblichkeit und das ewige Leben.

Der griechischen Sage nach geht er auf Kyparissos zurück, einen schönen Jüngling, in den sich der Sonnengott Apollon sterblich verliebt hatte. Kyparissos hatte einen gezähmten Hirsch als Gefährten, den er unendlich liebte. Als er ihn eines Tages aus Versehen erlegte, bat er die Götter, ihn von seinem Leid durch den Tod zu befreien. Die Götter erhörten ihn und verwandelten ihn in den Trauerbaum namens Zypresse (lateinisch: cupressus), dessen Baumharz die Tränen des Jünglings sind.

Kyparissos beweint den toten Hirschen in einer Darstellung des italienischen Künstlers Jacopo Vignali (Musée des Beaux-Arts de Strasbourg).

 

Den Etruskern dagegen diente er zu rituellen Zwecken. Sie entzündeten dessen Holz und ließen sich durch den entstehenden Rauch in einen Rauschzustand versetzen, um ihre Prophezeiungen zu machen. Zypressenholz ist daher absolut nicht im Kamin oder bei Lagerfeuern zu verwenden. Ich kann aus eigener Erfahrung davon abraten!

Im Juni/Juli versprüht die Zypresse explosionsartig ihre Pollen (s. Foto oben). Man sagt dann: die Zypresse ist in amore.

Die sicherlich berühmteste Zypressenallee befindet sich in San Guido bei Bolgheri. Kilometerweit fährt man dort auf einer schnurgeraden Straße umringt von stolzen Zypressen. Der aus der Gegend stammende Giosuè Carducci schrieb dazu ein Gedicht Davanti San Guido (Vor San Guido), das jeder Italiener (mancher auch auswendig) kennt.


I cipressi che a Bólgheri alti e schietti
Van da San Guido in duplice filar,
Quasi in corsa giganti giovinetti
Mi balzarono incontro e mi guardâr.

Mi riconobbero, e — Ben torni omai —
Bisbigliaron vèr’ me co ’l capo chino —
Perché non scendi? Perché non ristai?
Fresca è la sera e a te noto il cammino.

Oh sièditi a le nostre ombre odorate
Ove soffia dal mare il maestrale:
Ira non ti serbiam de le sassate
Tue d’una volta: oh, non facean già male! […]

 

Vor Bolgheri die beiden Reihn Zypressen,
Die grad und stattlich nach San Guido gehen,
Wie junge Riesen, die im Lauf sich messen,
So eilten sie heran, nach mir zu sehen.

Sie kannten mich und flüsterten mir leise
Kopfnickend zu: - Oh, bist du wieder da?
Warum nicht bleiben? Unterbrich die Reise:
Kühl wirds zur Nacht, die Straße kennst du ja.

Oh, halte Rast in unserm würzgen Schatten,
Wo der Nordwest dich trifft von hoher See;
Steinwürfe, die uns einst getroffen hatten,
Verzeihn wir gern, sie taten auch nicht weh. […]

 

 

Und hier das Audiobuch:

Previous
Previous

Hochzeiten in der Toskana

Next
Next

Orci